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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.44743#0403

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Einführung versehene Buch ist schon soviel
Günstiges gesagt worden, daß man bei Ges
legenheit der nun erschienenen 4. Auflage
nichts wesentliches mehr bemerken darf. Seit
Jahren dient es seiner schönen Bestimmung:
lebendige Beziehungen herzustellen zwischen
einer Kunstwelt, die bisher in kalter, unheim«
licher Entrücktheit ein starres Dasein zu
haben schien, und europäischen Menschen von
heute, deren Auge, begrenzt durch einen engen
Formenhorizont, unfähig war, das Ursprünge
liehe, Elementare, Unmittelbare, Monumentale
zu erfassen, das wir heute in den großen orien«
talischen Kunstkulturen verehren. Neu ist an
dem heute vorliegenden Buche, daß es zwölf
neue Tafeln aufweist, und zwar Tafeln nach
einigen besonders wichtigen der um Ameno«
phis IV. herum entstandenen Tel«Amarna«Pla«
stiken, die im Ägyptischen Museum zu Berlin
bewahrt werden. O. B.
KURT PFISTER, HERKULES SEGHERS.
(München, R. Piper & Co. 1921.) »Er knetete das
Gesicht und formte die Gebärde der chaotischen
Welt, in der er stand. Er hat ein kleines Feld mit
unendlichem Schritt durchmessen, und hat dies
geringe Spiel der irdischen Dinge in ewige Pa«
rabeln übersetzt.«
Das ist die Quintessenz des fabelhaften Werkes
von Herkules Seghers, das Kurt Pfister neu
herausgegeben hat, oder vielmehr für die
Öffentlichkeit erstmalig herausgab: denn die
große Publikation sämtlicher Radierungen von
Seghers in kostbaren Faksimiledrücken der Ber«
liner Graphischen Gesellschaft (1910—1912)
ist nur in wenigen Händen. So hat sich der Piper«
scheVerlag und sein Herausgeber ein wahrhaftes
Verdienst um die schöne wohlgelungene Aus«
gäbe erworben; eine Ausgabe mit 23 vortreff«
liehen Lichtdrucktafeln in Großquart, die der
Ungunst der Zeit spottet. Eine recht posthume
Ehrung, eine tragische Genugtuung für den
überlang Verkannten, den erstmals Bode 1903
ans Licht der Öffentlichkeit gezogen hatte, der
aber erst 1921 für ein nichtfachmännisches, ein
genießendes Publikum hiermit heraustritt; und
der es durch das Außerordentliche und ganz
Persönliche seiner Kunst heute wahrhaftig mehr
denn je verdient. Der kurze, aber von feinster
Einfühlung getragene Text von Pfister bringt
uns die Seele des Mannes nahe, der ein Men«

schenalter vor Rembrandt in Amsterdam Platten
radierte, die zwischen Altdorfer und van Gogh
zu einem ungeheuren Pendelschlag ausholen;
der auf Rembrandts Landschaften stärker als
irgend etwas gewirkt hat, und der uns heute
wie ein Zeitgenosse erscheint. Denn dieses
Grauen und Zweifeln an der Welt, dieser tiefe
Sprung zu den Müttern hinab, bei denen dieGe«
spenster aller Dinge hausen: wer verstände sie
wohl besser als wir, erschüttert von so viel un«
zeitgemäßer Tragik! Seghers fand das verdiente
Los seiner allzu bürgerhaften Zeit: arm und
unbekannt und verlassen als ein Trunkenbold
zu sterben. Sein Werk aber, diese Landschaften,
Totenschädel, Schiffe, Bücherstilleben, Roman«
tikerträume in der bizarrsten Technik der Radie«
rung, von unwirklichen Farben umdämmert, sein
Werk glänzt über die Zeiten des Vergessenseins
hinweg in unvergänglicher Jugend und Genia«
lität. »Denn er war unser« — in einem sehr
anderen Sinn als dieses Wort gemeint war: er
war drei Jahrhunderte zu früh geboren. Was uns
van Gogh, Kubin, Ensor, Nolde teuer macht: er
hat es erlebt und gestaltet. Und darum ist er ver«
hungert, und seine Radierungen zählen zu den
kostbarsten Seltenheiten weniger großer Kupfer«
Stichsammlungen, weil seinerzeit die Fettkrämer
die Abdrücke zum Einwickeln ihrer Seife be«
nutzten. Man könnte Berliner werden und ora«
kein: Affentheater. Aber auch dies ist relativ.
Freuen wir uns des gelungenen und, neben
allem Erstaunlichen des Gebotenen: auch ge«
schmackvollen Buches. Paul F. Schmidt
MAX BECKMANN. STADTNACHT.
7 Lithographien zu Gedichten von L. v. Braun«
behrens (München, R. Piper & Co.) Diese sie«
ben Zeichnungen werden auf viele abstoßend
wirken, da sie von der Grelle, der Sinn« und
Hoffnungslosigkeit der modernen Großstadt«
Zivilisation geradezu leben, und doch ver«
dienen sie den für das heutige Wollen reprä«
sentativen Leistungen zugezählt zu werden,
da sie das alles mythologisch gebändigt und
zusammengedrängt enthalten, da der Künstler
in einigen von ihnen eine Knappheit und Schlag«
kraft des Linienausdrucks erreicht hat, die sie
allen Vorurteilslosen unmittelbar einleuchtend
machen muß. Die kompositionelle Struktur wird
durch Fügungen bestimmt, die immer einen
sonderbar schwankenden Rhythmus enthalten.

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